Von René Gralla - 16.03.2013

Ohne Damen mehr Chancengleichheit

XIANG QI: Janku Müncz aus St. Gallen will eidgenössische Spielerinnen und Spieler für Chinaschach begeistern

Konsequente Individualisten, die ungeachtet aller Widerstände ihr Ding durchziehen und dafür alles geben, von dieser Sorte Mensch hat die Eidgenossenschaft einige zu bieten: Wilhelm Tell, Winkelried, DJ Bobo ... und jetzt ein Janku Müncz aus St. Gallen.

Der 50-jährige Typograph möchte nämlich quasi im Alleingang die Schweizer Spielszene aufmischen und seine Landsleute für die hohe Schule asiatischer Strategiekunst begeistern. »XiangQi«, gemeinhin Chinaschach genannt, soll, so jedenfalls die Vision des Janku Müncz, neben den Nationalsport Schweizer Jass sowie die notorische Computer- und Playstation-Daddelei treten.

Dieses Spiel, genau übersetzt: Elefantenspiel, weil zu jedem Set auch zwei Paar Rüsseltiere en miniature gehören, ist 2200 Jahre alt. Sein Szenario lässt sofort an Schach denken. Womit sich die Frage stellt, warum eigentlich die Schweizer (und mit ihnen der Rest der Welt) zusätzlich noch eine exotische Ausgabe jener Klötzchenschieberei um König und Dame brauchen, wenn schon die klassisch schwarz-weiße Version auf 64 Feldern von vielen Leuten als schwer zugänglich und eher abtörnend empfunden wird.

»XiangQi macht einfach mehr Spaß«, sagt Janku Müncz gegenüber »nd«. Erstens gehören zum Elefantenspiel auch Kanonen, und die finde er richtig super, und zweitens fehlen auf dem chinesischen Brett die Damen, und das sei ein Geniestreich. »Die Dame im normalen Schach ist viel zu stark und dominiert das Geschehen. So dass man nach deren Verlust besser gleich aufgeben kann. Ganz anders ist das chinesische Schach: Sie können dort, selbst wenn Sie materiell deutlich zurückliegen, das Match noch drehen und gewinnen.«

Für seine Kampagne, die Erfindung des antiken Generals Han Xin nach Helvetia zu importieren, hat Janku Müncz bereits einen Mitstreiter gefunden. Einmal in der Woche trifft der Chinapionier im St. Gallener Bierlokal »Dufour« seinen Sparringspartner Patrick Frey. Bis spät in die Nacht knallen sie die runden Steine des XiangQi, die mit chinesischen Schriftzeichen markiert sind und deswegen ein wenig an das unter Computerfreaks recht beliebte Mah-Jongg erinnern, auf einen Spielplan, der mit 90 Feldpositionen um glatte 30 Prozent weitläufiger ist als im Standardschach.

  

Die Organisation einer Schweizer Meisterschaft bereitet wegen der dünnen Personaldecke jedoch aktuell noch Schwierigkeiten. Ein Problem, für das Janku Müncz indes eine unkonventionelle Lösung gefunden hat: Das Championat 2013 wird kurzerhand ins befreundete Ausland verlegt, und zwar ins fränkische Nürnberg, wo sich ein größerer Kreis von Chinaschachfans im Verein »Stoßzahn Franken« formiert hat.

Dort steigt am ersten Aprilwochenende ein Turnier, und in diesen ansonsten offenen Wettbewerb wird die Schweizer Meisterschaft integriert. Jeder, der am Sonnabend, 6. April 2013, bis spätestens 12.45 Uhr in Nürnbergs Loni-Übler-Haus einläuft und einen gültigen Pass der Alpenrepublik vorzeigt, darf, versichert Janku Müncz, antreten und versuchen, unter den Nachfahren der Rütli-Schwurbrüder der Schachchinese Nr. 1 zu werden.

Die nationalen Titelkämpfe als Auswärtsspiel - das hatte vor Janku Müncz indes bereits ein Landsmann von ihm probiert. Vor zehn Jahren wagte der Zürcher Student Beat Sprenger den ersten Anlauf, mit dem Elefantenspiel die Schweiz zu erobern. Weil auch er zunächst als One-Man-Show agierte, rief er alle Interessenten zu einer Schweizer Meisterschaft in die bundesrepublikanische Pfalz nach Hockenheim. Fernab der heimatlichen Berge gelang es ihm damals, zwischen Basel, Zürich und Genf geradezu einen kurzen XiangQi-Boom loszutreten. Doch der war dann leider wieder in sich zusammen gebrochen, als Beat Sprenger aus beruflichen Gründen sein spielerisches China-Abenteuer wieder aufgeben musste.

Janku Müncz will nun, wie er sagt, mehr auf Nachhaltigkeit und die Ruhe setzten. »Man braucht einen langen Atem, und den habe ich«, sagt Müncz. Und weiß sich insofern auf einer Linie mit einem Geistesverwandten, der gleich ihm das Elefantenspiel hoch geschätzt hat: »Ist man in kleinen Dingen nicht geduldig, bringt man die großen Vorhaben zum Scheitern.« Also sprach der weise Konfuzius.