St.Galler Tagblatt Online, 06. April 2013 01:37:15
Mehr Spass ohne Damen
Auf Königsjagd: Janku Müncz (rechts) und Patrick Frey gehören zu den wenigen Xiangqi-Spielern der Ostschweiz. (Bild: Benjamin Manser)
Der St. Galler Janku Müncz ist fasziniert von Xiangqi, dem Schach der Chinesen. Dieses ist hierzulande kaum bekannt. Daher hat Müncz die Schweizer Meisterschaft in ein Turnier integriert, das am Wochenende in Nürnberg stattfindet.
RENé GRALLA
Der 60jährige St. Galler Typograph Janku Müncz hat sich zum Ziel gesetzt, die Schweizer Spielszene für die hohe Schule fernöstlicher Strategiekunst zu begeistern – mit Xiangqi, dem Schach der Chinesen. Xiangqi bedeutet übersetzt «Elefantenspiel», weil zu jedem Set auch zwei Paar Miniatur-Rüsseltiere gehören.
Spiel mit langer Tradition
Xiangqi soll vor rund 2200 Jahren während Bürgerkriegswirren am Gelben Fluss ausgetüftelt worden sein. Im Spiel geht es darum, seine Armee über einen Grenzfluss zu führen und den feindlichen Oberbefehlshaber in dessen Palast zu fangen. Ein Szenario, das sofort an Schach denken lässt.
«Xiangqi macht aber mehr Spass», sagt Janku Müncz, der früher mit der bei uns gängigen Schach-Standardversion auf 64 schwarz-weissen Feldern nicht viel am Hut hatte. Seine Begeisterung für Xiangqi hingegen ist gross. Erstens gefallen ihm die Kanonen, die zum Spiel gehören. Zweitens fehlen auf dem chinesischen Brett die Damen.
«Das ist ein Geniestreich», schwärmt Müncz. Die Begleiterin des Herrschers im normalen Schach sei viel zu stark und dominiere das Geschehen zu sehr, so dass man nach dem Verlust «der omnipotenten Amazone, gegen die ihr Gemahl ziemlich schwach ausschaut», besser gleich aufgebe. «Ganz anders sieht es beim chinesischen Schach aus», sagt Müncz. «Weil dort die übermächtigen Königinnen fehlen, kann man, selbst wenn man materiell zurückliegt, ein Spiel drehen und gewinnen.»
Im Internet entdeckt
Auf seine neue Leidenschaft Xiangqi ist Janku Müncz beim Surfen im Internet gestossen. Die Königsjagd ohne Damen ist vor allem in China und Vietnam ein echter Massensport und zählt weltweit eine halbe Milliarde Anhänger. Damit dürfte Asien-Schach das populärste Brettspiel der Welt sein. Der Kult um Xiangqi geht so weit, dass mancherorts sogar Megabretter in der Grösse von Fussballfeldern angelegt werden, auf denen dann Live-Partien vor grossem Publikum stattfinden.
Janku Müncz ist jedoch nicht der einzige Ostschweizer, welcher der Leidenschaft Xiangqi frönt. Einmal in der Woche trifft Müncz im Restaurant Dufour in St. Gallen seinen Sparringspartner Patrick Frey. Bis spät in die Nacht hinein knallen die beiden Männer die runden Steine des Xiangqi, die mit chinesischen Schriftzeichen markiert sind, auf den Spielplan. Mit 90 Feldpositionen ist dieser um 30 Prozent weitläufiger als derjenige des Standardschachs.
Schweizer spielen in Nürnberg
Auch wenn der erste Schritt getan ist: Die Organisation einer Schweizer Xiangqi-Meisterschaft bereitet Janku Müncz derzeit noch Schwierigkeiten, weil alles in allem doch sehr wenig Spielerinnen und Spieler vorhanden sind. Müncz hat eine unkonventionelle Zwischenlösung gefunden: Die Meisterschaft 2013 wird kurzerhand ins Ausland verlegt. Und zwar ins deutsche Nürnberg, wo sich bereits ein grösserer Kreis von Xiangqi-Fans im lokalen Verein «Stosszahn Franken» formiert hat. In Nürnberg steigt dieses Wochenende ein grosses Xiangqi-Turnier. In diesen ansonsten offenen Wettbewerb wird die Schweizer Meisterschaft integriert.
Ein Mann mit langem Atem
Die nationalen Titelkämpfe als Auswärtsspiel: Ein kreatives Manöver, das Janku Müncz einem Landsmann abgeschaut hat. Vor zehn Jahren hat der Zürcher Student Beat Sprenger einen ersten Anlauf gewagt, um Xiangqi in der Schweiz zu etablieren. Und weil auch Sprenger zunächst als One-Man-Show agierte, rief er alle Fans zu einer Schweizer Meisterschaft in die deutsche Pfalz nach Hockenheim. Dies war die Initialzündung für einen heftigen Xiangqi-Boom zwischen Basel, Zürich und Genf. Allerdings fiel dieser rasch in sich zusammen, nachdem Sprenger aus beruflichen Gründen sein China-Abenteuer aufgeben musste.
Nun folgt also der zweite Schweizer Xiangqi-Anlauf, dieses Mal mit Janku Müncz. «Um das Spiel zu etablieren, braucht man einen langen Atem, und den habe ich», sagt er. Und sieht sich dabei auf der gleichen Linie wie Konfuzius, der das Elefantenspiel ebenfalls geschätzt haben soll: «Ist man in kleinen Dingen nicht geduldig, bringt man die grossen Vorhaben zum Scheitern.»
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